Autor: Jeff Cowton
Lage: The Wordsworth Trust, Dove Cottage, Grasmere
Beschreibung: Dies ist ein Exemplar einer Ausgabe von William Wordsworths Guide to the Lakes aus dem Jahr 1822 im Originaleinband. In diesem Wanderführer enthalten ist eine Beschreibung der Besteigung von Englands höchstem Berg, Scafell Pike. Es wurden fünfhundert Exemplare des Guides gedruckt und um jeweils 5/- (5 shilling, entspricht heute 25 pence) verkauft. Dieses Exemplar ist von seiner Größe aus dazu geeignet, auf einer Bergtour mitgenommen zu werden. Wordworths Guide war zutiefst von seinen Reisen durch Europa beeinflusst, vor allem von seinen Erlebnissen im Jahr 1790, als er (als damals Zwanzigjähriger) mit seinem Freund Robert Jones quer durch Frankreich bis zu den Alpen wanderte. Die Geschichte dieser Tourenbeschreibung zum Scafell Pike zeigt zudem, wie Rousseaus wirkungsmächtige Darstellungen der Alpen die Wahrnehmung der Landschaft im Lake District beeinflussten.
Der Guide vermittelt einen Eindruck von Wordsworth als dem Dichter des Lake District, auf Wanderungen durch seine „heimischen Berge“, ja sogar auf den höchsten Berg, Scafell Pike. Zu dieser Zeit bestiegen Touristen zwar andere Berge über 3000 Fuß (ca. 914m), darunter Helvellyn und Skiddaw, doch sie nahmen Scafell Pike nur selten in Angriff. (Der ortsansässige Künstler und Reisebuchautor William Green beschreibt eine Besteigung im Jahr 1816, aber dieser Bericht wurde erst 1819 veröffentlicht, ein Jahr nach der Besteigung, die in Wordsworths Wanderführter beschrieben wird.) Sogar die Schäfer bestiegen den Berg selten – auf dem Gipfel gab es kaum Essbares, das ihre Schafe angezogen hätte.
Dieser Bericht der Besteigung im Guide stammt, so Wordsworth, aus einem Brief an einen Freund. Er schildert, dass die Wanderer am 7. Oktober 1818 aufbrachen, ihr ursprüngliches Ziel Esk Hause erreichten, die Aussicht genossen und dann befanden, dass Wetter und Zeitplan es ihnen erlaubten, sich weiter bis zum Pike selbst zu wagen. Auf dem Gipfel erschloss sich ihnen eine Aussicht bis in weite Ferne, und sie stellten fest, dass am Gipfel Flechten wuchsen, genährt durch „Wolken und Tau“, „in Farben von leuchtender und vorzüglicher Schönheit“. Der Bericht hält fest, dass die Steine aussahen wie die „Skelette und Gebeine der Erde, die zur Schöpfung nicht benötigt wurden“. Weiter heißt es: „Auf dem Gipfel des Pike, den wir unter großen Anstrengungen, aber ohne größere Schwierigkeiten erreichten, gab es keinen Hauch von Wind, der auch nur das Papier, in das unser Imbiss verpackt war, bewegt hätte, als es auf einem Stein ausgebreitet war. Die Stille schien nicht von dieser Welt zu sein.“
Diese Beschreibung erinnert stark an einen Ausschnitt aus Jean-Jacques Rousseaus Roman Julie oder Die neue Heloise (1761), wahrscheinlich der beliebteste Roman des 18. Jahrhunderts. Im 23. Brief schreibt Saint-Preux an seine Geliebte, Julie d’Étanges, während er durch das Oberwallis in der Schweiz reist. Er beschreibt „gewaltige Felswände“ und unterhalb einen „Abgrund“; das Erlebnis versetzt ihn, ausgehend von einem Gefühl des Erhabenen, in einen „friedvollen Zustand“. Er bemerkt „unten aufziehende Unwetter und Stürme“. Er beschreibt die Luft auf dieser Höhe als „rein und leicht, man kann freier atmen, man fühlt sich leichter im Körper, heiterer im Geiste.“ Schließlich stellt er fest, dass „die Reinheit der Luft … Farben leuchtender erscheinen lässt, Umrisse schärfer, und alle Blickrichtungen näher zueinander rückt.“ In vielen Punkten ähnelt dies dem Bericht im Guide: Dieser beschreibt die Aussicht als ein Gemenge gewaltiger Formen und tiefer Abgründe („Great Gavel, der höchste, eine ausgeprägte und gewaltige Form“ und der „unermessliche Abgrund“ von Wasdale), erwähnt ein Gewitter, das, als es vorübergezogen ist, es den Anwesenden erlaubt, „den Kampf zwischen Düsterkeit und Sonnenschein an anderen Orten zu betrachten“, und verzeichnet ebenfalls ein großes Gefühl des Friedens: „Wir hielten an und schwiegen, um zu lauschen; es war kein Laut zu hören… kein Insekt summte in der Luft.“ Die leuchtenden Farben der Flechten auf dem Gipfel von Scafell Pike wurden bereits erwähnt.
Es gibt keinen Beleg, dass die Wordsworths jemals Rousseaus Roman gelesen hätten. Sein Einfluss ist jedoch in vielen anderen Schriften spürbar, die sie wohl gelesen hatten. Es standen Ausgaben anderer Werke von Rousseau in der Familienbibliothek (siehe Bainbridge 2017). Diese Rousseausche Textpassage beeinflusste wiederum die Art, wie spätere Touristen Scafell erlebten; spätere Reisebücher und Autoren bezogen sich darauf und zitierten daraus. Als Harriet Martineaus Reisebuch im Jahr 1855 erschien, war die Scafell-Gruppe viel beliebter geworden, wenn sie auch noch eine Herausforderung darstellte, und Martineau zitiert umfangreiche Passagen aus Wordsworths Bericht. Eliza Lynn Linton, die erste fest angestellte weibliche Journalistin in Großbritannien, veröffentlichte 1864 eine Reihe von Wandertouren in der Gegend, die ebenfalls umfangreiche Textpassagen aus dem Guide zitierten.
Doch den Lesern dieser Bücher, wie auch jenen von Wordsworth, war nicht bewusst, dass der urspüngliche Bergsteigerbericht nicht etwa von William, sondern von seiner Schwester Dorothy stammte. Die Manuskripte in der Sammlung des Wordsworth Trust in Grasmere verraten uns die Hintergrundgeschichte. Wie Wordsworth behauptet, handelt es sich bei der Beschreibung, die im veröffentlichten Wanderführer enthalten ist, um eine bearbeitete Fassung des handschriftlichen Originalberichts; manche Textpassagen wurden entfernt oder ihre Reihenfolge wurde geändert; einzelne Sätze wurden überarbeitet. Aber es besteht kein Zweifel, was die Quelle des Texts angeht: ein Brief von Dorothy an William Johnson, der einmal Hilfspfarrer in Grasmere gewesen war. Dieser Brief verrät auch, dass Dorothy von Mary Barker begleitet wurde sowie von drei Helfern einschließlich eines Schäfers als Führer. Die Wanderung dieser zwei Frauen wird in der Geschichte des Bergwanderns als wegweisend angesehen. Kein Wunder, dass Dorothy triumphierend schreibt: „Der Mut verließ uns nicht.“ Es ist eigentümlich, sich Dorothy als die Erbin des Berggefühls von Saint-Preux vorzustellen, die am Gipfel von Scafell Pike Rousseau wiederbelebte – nicht nur für sich selbst, sondern auch für diejenigen, die nach ihr kamen.
Datum: 1822
Urheber: William and Dorothy Wordsworth
Medienrechte: Originalobjekt ungeschützt; Foto von Jeff Cowton, Angestellter der besitzenden Institution
Objekttyp: Gedrucktes Buch
Format: Tinte auf Papier
Sprache: Englisch
Ähnliche Objekte: DCMS 31, Dorothy Wordsworths Grasmere-Tagebuch
Edition: The Wordsworth Trust
Digitales Sammlungsverzeichnis: https://tinyurl.com/y92njy4y
Katalognummer: B/150