Beitrag von: Cian Duffy
Standort: Sicily, Italien (37°45.3N’ 14°59.7’E)
Beschreibung: Der Ätna ist ein aktiver Stratovulkan an der Ostküste von Sizilien mit einer kürzlich gemessenen Gesamthöhe von ca. 3350m (Juni 2019). Er wurde im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert weitaus weniger besucht als der leichter zugängliche Vesuv bei Neapel, der häufig die Endstation der europäischen „Grand Tour“ bildete (die Hauptroute nach Sizilien war per Boot von Neapel aus). Nichtsdestotrotz war der Ätna „berühmt seit alter Zeit, da er Feuer ausspie“, daran erinnert uns John Dryden Jr. (1688-1701), der Sohn des Dichters, in seinem postum veröffentlichten Werk Voyage to Sicily and Malta (1776). Während der Epoche der Romantik waren der Ätna und seine Ausbrüche Thema vieler Gemälde und Panoramas und kamen außerdem in einer Vielzahl von Prosawerken ebenso wie in Lyrik und Theaterstücken vor, die europaweit bekannt waren.
Autoren der klassischen Antike wie Hesiod (7.-8. Jhd. v. Chr.), Pindar (ca. 518-438 v. Chr.) und Vergil (70-19 v. Chr.) machten den Ätna zum Gefängnis, in dem Zeus die von ihm besiegten Riesen vergraben hatte (in manchen Versionen auch den Titan Typhon), oder alternativ zum Ort der Schmiede, in der die Zyklopen unter Anleitung von Hephaistos arbeiteten. Andere, wie der Dichter und Philosoph Lukrez (99-55 v. Chr.), versuchten, eher wissenschaftliche Erklärungen für die Ausbrüche des Vulkans zu finden, und spekulierten z.B., dass sie etwas mit dem Zusammenspiel überhitzungswarmer Winde und dem Meerwasser in unterirdischen Kammern zu tun haben könnten. Erklärungen dieser Art fanden unter anderem Anklang bei Percy Bysshe Shelley (1792-1822), der sich in der Darstellung eines katastrophalen Vulkanausbruchs in seinem „lyrischen Drama“ Der entfesselte Prometheus (1820) darauf bezog.
Während des 18. Jahrhunderts spielte der Ätna eine Schlüsselrolle in den Diskussionen über das Alter der Erde und die Auswirkungen von geomorphologischem Wandel: Die Erforschung früherer Lavaströme und aktueller Eruptionen war zentraler Bestandteil der Thesen über die Gleichförmigkeit von geologischen Prozessen im Verlauf der sogenannten „Deep Time“ (siehe Duffy, Landscape and the Sublime, 78-80). Der Antiquar und Naturphilosoph William Hamilton (1730-1803) und der Reisende und Naturphilosoph Patrick Brydone (1736-1818) fertigten detaillierte Studien über den Ätna an und veröffentlichten ihre Ergebnisse in Observations on Mount Vesuvius, Mount Etna, and other volcanoes (1772) bzw. Voyage through Sicily and Malta (1773). Beide wurden in ihren Forschungen von Giuseppe Recupero (1720-1778), einem lokal ansässigen, jesuitischen Kleriker geleitet, der eigene, jedoch nie veröffentlichte Studien über den Vulkan durchführte. Über ein halbes Jahrhundert später erinnerte Thomas De Quincey (1785-1859), berühmt geworden durch seine Bekenntnisse eines englischen Opiumessers, in seinem Essay System of the Heavens (1846), an Brydones Beschreibung von Recupero und machte sich über dessen „aus Lavaschichten arrangierte Beweise“ lustig. Sie schienen im Gegensatz zum etablierten Verständnis der Erdgeschichte zu stehen, die auf den Erkenntnissen des irischen Bischofs James Ussher (1581-1656) beruhten, und dessen Annales Veteris Testamenti (1650) das Entstehungsdatum der Erde genau mit dem 23. Oktober 4004 v. Chr. bezifferte.
Der deutsche Universalgelehrte Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) beschrieb seine unvollständige Ersteigung des Ätna während seines Besuchs in Sizilien im Frühjahr 1787 in Italienische Reise (1816-1817). Britische romantische Lyrik beschäftigt sich gleichermaßen oft mit dem Vulkan. Das Gedicht Mount Etna (veröffentlicht 1807, aber früher geschrieben) von Anne Seward (1742-1809) ist z.B. eine sehr anschauliche und detaillierte Reaktion auf Brydones Beschreibung des Vulkans in Tour, außerdem macht Seward erheblichen Gebrauch von Vulkan-Metaphorik, um die zerstörerischen Effekte der Industrie rund um Colebrookdale in Mittelengland zu beschreiben. Der Naturphilosoph Erasmus Darwin (1731-1802) hatte in The Economy of Vegetation, dem ersten Teil von Botanic Garden (1791), bereits eine ähnliche Bildsprache benutzt, um den technischen Fortschritt in derselben Region zu feiern. Pery Shelley erwähnt den Ätna in seiner Ode to Liberty (1820). Er lässt sich von Naturphilosophen wie Hamilton und Brydone und ihren Spekulationen über die Vernetzung vulkanischer Aktivität zu bildlichen Vorstellungen über die Ausbreitung einer europaweiten politischen Revolution inspirieren:
Noch schläft die Insel: schallt der Ruf nicht von alters her?
Nun ruft Spanien nach England, so wie mit überwältigendem Donner
der Vesuv den Ätna weckt, brechen die kalten
schneebedeckten Felsen durch ihre Antwort entzwei (Z.181-184)
Lord Byron, der ebenso wie Shelley häufig Vulkan-Metaphorik nutzte, beschwört im achten Gesang von Don Juan (1824) in seiner Schilderung von der Belagerung der Stadt Ismail (1790) Geschichten der klassischen Antike über den Ätna herauf, als „der ganze Schutzwall (aus)brach wie der Ätna, wenn der rastlose Titan in seinen Tiefen aufstößt“ (Z. 55-56).
Abgesehen von den Mythen über besiegte Riesen und göttliche Schmieden, haben die Autoren der klassischen Antike den Ätna zu dem Ort gemacht, an dem der griechische Philosoph Empedokles (ca. 494-435 v. Chr.) den Tod fand, indem er sich (angeblich) in den Krater stürzte. Eine recht lange Ausführung dieser Geschichte findet sich in Brydones Tour, außerdem ist sie Thema des dramatischen Gedichts Empedocles on Etna (1852), das von dem großartigen, viktorianischen Dichter und Kritiker der romantischen Literatur über seine eigenen Ängste im Bezug auf das Verhältnis von Religion und Wissenschaft verfasst wurde: Matthew Arnold (1822-1888).