Beiträger: Jeff Cowton
Standort: The Wordsworth Trust, Grasmere
Beschreibung: Im Jahr 1799, als sie beide Ende zwanzig waren, zogen William und Dorothy Wordsworth um, um gemeinsam ein neues Leben in Dove Cottage, Grasmere, Großbritannien, zu beginnen. Im Mai 1800 verließ William Grasmere für eine kurze Abwesenheit und Dorothy beschloss, ein Tagebuch zuschreiben, um ihm bei seiner Widerkehr zu vergnügen. So begann ein Tagebuch, das sie die nächsten dreißig Monate weiterschrieb. Vier Notizbücher sind uns geblieben, aber das fünfte, das den Großteil des Jahres 1801 enthielt, ist verloren. Das Tagebuch wurde größtenteils im Haushalt von Dove Cottage verfasst und enthält Dorothys Beobachtungen des häuslichen Lebens, ihrer Nachbarschaft und der natürlichen Welt, von weltlich bis außergewöhnlich, von der Kohllieferung bis zum bemerkenswerten Anblick von Spiegelbildern im See. Infolgedessen heißt es im Register der UNESCO UK Memory of the World: „Aus dem Tagebuch können wir uns die Szene vorstellen, in der Bruder und Schwester zusammen gehen, reden, lesen und schreiben. Es ist ein intimes Porträt eines Lebens an einem Ort, der für sie ein irdisches Paradies war.“ Es liefert nicht nur Beweise für die Art der Beziehung zwischen Bruder und Schwester, sondern auch für ihre kreativen Arbeitsgewohnheiten. Die beiden hier ausgestellten Seiten bieten Hinweise auf zwei Geheimnisse: die Entstehung eines der wichtigsten aller romantischen Gedichte, oft als „Daffodils“ [„Narzissen“] bekannt und warum Dorothy aufgehört hat ihr Tagebuch zu schreiben.
Dorothys Bericht über einen Spaziergang an den Ufern von Ullswater am 15. April 1802 mit ihrem Bruder könnte möglicherweise ein Gespräch mit William widergeben:
…& endlich sahen wir unter den Ästen der Bäume ein langes Band von [Narzissen] am Ufer entlang, ungefähr so breit wie eine Landstraße. Ich habe noch nie Narzissen gesehen, die so schön waren, die zwischen den moosigen Steinen und um sie herum wuchsen. Einige ruhten ihre Köpfe auf diesen Steinen wie auf einem Kissen. Der Rest warf und taumelte und tanzte und schien als ob sie wirklich mit dem Wind lachten, sie sahen sie so heiter aus, zwinkernd und flüchtig. Dieser Wind wehte ihnen direkt über den See zu. Es gab hier und da eine kleine Bande und ein paar Nachzügler etwas höher, aber sie waren so wenige, dass sie nicht störten …
Dies ist die Inspiration für Wordsworths Gedicht „I wandered lonely as a Cloud“, das 1804 geschrieben und 1807 veröffentlicht wurde. Seine Worte spiegeln diejenigen wider, die Dorothy in diesem Tagebucheintrag verwendet. Die tanzenden und lachenden Narzissen sind in beiden vorhanden. Es wird vermutet, dass Wordsworth zwei Jahre später beim Schreiben des Gedichts zum Tagebuchseintrag zurückkehrte.
Die Materialität des Manuskripts bietet eine noch intimere Begegnung mit Dorothys kreativem und emotionalem Leben. Wenn man das Journal in gedruckter Form liest, sieht es so aus, als hätte Dorothy einen Eintrag pro Tag geschrieben. Wenn wir uns jedoch das Manuskript ansehen, merken wir, dass sie höchstwahrscheinlich mehrere Einträge gleichzeitig geschrieben hat. Die einzigartige Kombination aus Schreibfeder, Tintenfarbe und Handschriftstil macht es sehr einfach, Einträge zu identifizieren, die in einer Sitzung geschrieben wurden. Das Manuskript zeigt, dass Dorothy jede Woche die Feder in die Hand nahm, um über die Ereignisse der letzten Tage zu schreiben. Dies erklärt, warum einige Einträge nur minimale Details aufweisen und warum an mehreren aufeinander folgenden Tagen falsche Daten gefunden werden können. Es macht uns auch aufmerksam auf ihre Fähigkeit, ihre Beobachtungen klar und scharf in Erinnerung zu halten, bis sie die Gelegenheit hatte, sie niederzuschreiben.
Man stelle sich vor, wir hätten nur eine gedruckte Abschrift der Seite, auf der Dorothy Wordsworth die Ereignisse und ihre Gefühle anlässlich der Hochzeit ihres Bruders wiedergibt. Es würde uns sagen, dass Zeilen gelöscht wurden, aber nur wenn wir das echte Manuskript ansehen, fragen wir, wer sie wann und warum gelöscht hat. Dies war eine private Schrift, die nie zur Veröffentlichung bestimmt war. Daher ist der Wunsch, die Wörter auszulöschen, damit sie nie wieder gelesen werden können, sehr auffällig. Die OUP-Ausgabe gibt die durchgestrichenen Wörter folgend wider: „Ich habe ihm den Ehering gegeben – mit wie tiefem Segen! Ich nahm es von meinem Zeigefinger, wo ich es die ganze Nacht zuvor getragen hatte – er schlüpfte es wieder auf meinen Finger und segnete mich inbrünstig.“ Aber wer diese Worte durchgestrichen hat bleibt ein Rätsel. War es Dorothy, die es getan hat? Hat sie es alleine gemacht? Hat sie es auf Williams Rat hin getan? Oder war es jemand anderes, möglicherweise Williams neue Frau Mary? Was auch immer geschah, drei Monate nach der Hochzeit hörte Dorothy auf, ihr Tagebuch zu schreiben, mutmaßlich, weil sich die Beziehung zwischen Bruder und Schwester grundlegend geändert hatte.
Die Notizbücher sind im Wordsworth Museum in Grasmere zu sehen. Zusammen mit Dove Cottage selbst beruht ihre Macht nicht nur auf Dorothys unbestrittenen Fähigkeiten als Dichterin, sondern auch auf der Unmittelbarkeit des Zugangs, den sie zum Alltag und zur Intimität des kreativen Lebens versprechen. Ihre ständig wachsende Berühmtheit zeigt beispielhaft die anhaltende Faszination der europäischen Romantik für die lokalisierten, zeitgebundenen, materiellen und versteckten Spuren des kreativen Prozesses. Dies ist es, was literarische Pilger aus ganz Europa und der Welt seit mehr als einem Jahrhundert nach Dove Cottage zieht. Aus diesem Grund wird im April 2020, im Rahmen des von der Heritage Lottery finanzierten Projekts „Reimagining Wordsworth“, eines der Notizbücher nach Dove Cottage zurückkehren, sodass Besucher das Objekt im genau gleichen Ort wo es geschrieben wurde erfahren können.
Datum: 1802
Autor: Dorothy Wordsworth
Betrifft: Dorothy Wordsworth
Medienrechte: The Wordsworth Trust, Grasmere
Objekttyp: Gebundenes Manuskriptheft
Format: Tinte auf Papier
Sprache: Englisch
Herausgeber: The Wordsworth Trust, Grasmere
Digitale Sammlungsaufzeichnung: The Wordsworth Trust, Grasmere
Katalognummer: DCMS 19, DCMS 31